Der alte Hund
Erinnern Sie sich?
Eben noch ist
der acht bis zwölf Wochen alte Welpe durch ihre Wohnung galoppiert, war als
Einjähriger der Schrecken aller Kaninchen. Selbst mit 8 Jahren war er nicht zu
halten, wenn er einen Ball sah. Plötzlich ist alles anders. Plötzlich?? Nein,
die Anzeichen kamen schleichend.
Das Aufstehen und Hinlegen fällt schwerer.
Das jahrelang bewährte Futter schmeckt plötzlich nicht mehr so richtig.
Die Blase drückt viel öfter als früher.
Die im Welpenalter aufgebauten Hundefreundschaften werden nur noch kurz
beschnüffelt, dann wendet man sich auch schon wieder dem Heimweg zu.
Das Bedürfnis nach Wärme und Zuwendung ist größer als je zuvor.
DER HUND IST ALT.
Kleine Rassen werden bekanntlich älter als große, dass spielt aber in diesem
Fall überhaupt keine Rolle. Es geht darum, dem Hundesenior gerecht zu werden und
sich seinen Ansprüchen anzupassen. Ihr Hund hat Sie jahrelang begleitet. Er war
Ihnen ein treuer Gefährte und Partner. Er hat Ihnen nie vorgeworfen, dass eine
Fahrt bei 25 Grad im Sommer im Hundepelz weniger angenehm ist. Er hat gefressen
was sie ihm vorgesetzt haben und er hat seine Geschäfte erledigt, wenn Sie ihn
hinausließen. Nun fordert das Alter von Ihrem Hund Tribut, und Sie stehen in der
Pflicht, es für Ihren Gefährten so angenehm wie möglich zu machen. Das sind Sie
ihm einfach schuldig.
Das Altern von Tieren jeglicher Art unterscheidet sich kaum von den
Alterserscheinungen eines Menschen. Wer kann sich also nicht vorstellen, dass es
beschwerlicher ist, einen Hügel zu erklimmen, als früher, dass die Ohren und
Augen in ihrer Sinneskraft nachlassen. Dass man jugendlichen Flegeln am liebsten
aus dem Weg geht, weil man sich einem Kräftemessen nicht mehr gewachsen fühlt.
Es ist so einfach, sich in einen alten Hund hineinzuversetzen, wenn wir uns nur
einmal die Mühe machen und darüber nachdenken, was gut und wichtig für IHN ist.
Würden Sie ihre Oma in der Garage schlafen lassen, weil sie ihren Blasendrang
nicht mehr wie früher unter Kontrolle hat? Würden Sie ihr einmal am Tag eine
fette Mahlzeit vorsetzen, obwohl sie schon am Morgen nach einer Kleinigkeit
verlangt? Würden Sie ihre alte Oma wirklich einen ganzen Tag alleine lassen?
NEIN! Wenn ein Funken Menschlichkeit in Ihnen steckt, dann können Sie diese
Fragen nur mit "niemals!" beantworten.
Unseren alten Hunden aber widerfährt dieses Schicksal auf der Welt
millionenfach. Warum? Halten wir unsere Tiere für seelenlose Maschinen? Das wohl
nicht. Aber sie lamentieren und klagen nicht, sie weinen und stöhnen nicht. vor
allem aber klagen sie nicht an, und solange sie das nicht tun, schlussfolgern
wir, dass es Ihnen gut bei uns geht. Welch fataler Irrtum. Wenn Sie diesen
Teufelskreis durchbrechen wollen und dem Hund die Anerkennung zollen, die ihm
gebührt, dann haben Sie die Möglichkeit, Ihren Freund auf seinem letzten
Lebensabschnitt zu begleiten und in aller Ruhe von ihm Abschied zu nehmen. Er
dankt es Ihnen tausendfach.
Verbannen Sie ihn auf keinen Fall von seinem gewohnten Schlafplatz, nur weil
Darm- oder Blase hin und wieder nicht funktionieren. Wenn vorher sein
Schlafplatz mit einer Decke ausgestattet war, dann kostet es Sie doch nur ein
müdes Lächeln, dass Lager mit ein oder zwei weiteren Decken weicher zu
gestalten. Die alten Knochen sehnen sich nach Wärme, und das Immunsystem ist
krankheitsanfälliger. Also versteht es sich von selbst, dass Sie ihrem Hund bei
Kälte und Regen nicht draußen abliegen lassen, auch wenn IHM das in den
vergangenen 10 Jahren nichts ausgemacht hat!
Teilen Sie die Futterrationen auf mehrere kleine Mahlzeiten am Tag auf. Reichen
Sie ihm sein Fressen, wenn er danach verlangt, denn alte Hunde werden in der
Regel oft sowieso von Appetitlosigkeit geplagt. Gönnen Sie ihm hin und wieder
einen Leckerbissen (z.B. Hühnerklein).
Die Gewaltmärsche von früher sind tabu. statt dessen gehen sie lieber einmal
mehr eine kleine Runde.
Pflegen Sie ihn weiterhin wie gewohnt. Es gibt keinen Grund, einen alten Hund
weniger zu bürsten oder pflegen, nur weil keine Aussicht mehr besteht, auf einer
Ausstellung mit ihm zu glänzen.
Besonders wichtig ist aber für ihren Hund, dass er nun besonders auf ihre Liebe
und Fürsorge angewiesen ist. Hunde, die zu Lebzeiten keine ausgesprochenen
Schmuser waren, entwickeln im Alter eine ausgesprochene Liebesbedürftigkeit.
Schenken Sie dem alten Hund ihre ganze Aufmerksamkeit.
Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, ihm mit zwölf oder gar dreizehn Jahren
einen Welpen vor die Nase zu setzten. Die Möglichkeit dazu hatten Sie vorher. Es
ist nun ohnehin absehbar, wann Sie sich einen "neuen" Hund ins Haus holen
können.
Beobachten Sie ihren Hund. Wenn er Anzeichen von Schmerzen oder krankhafte,
körperlichen Veränderungen zeigt, dann ist der Gang zum Tierarzt oder ein
Hausbesuch desselben dringend erforderlich.
Es liegt in Ihrer Hand, dem Hund Schmerzen zu ersparen. Sollte es aber für Ihren
alten Hund keine Rettung geben, dann sind besonders Sie als lebenslange
Bezugsperson und Rudelführer gefordert. Den Hund auf seinem letzten Weg einem
Bekannten oder gar Fremden anzuvertrauen, ist unverzeihlich. Er hat ihnen ein
Leben lang zur Seite gestanden, und es ist Ihre Pflicht, ihn bis zur letzten
Minute zu begleiten. Ein Hund, der in einer Tierarztpraxis umgeben von Fremden
stirbt, ist ein unglücklicher Hund! Wir alle empfinden bei diesem letzten Gang
unsagbare Trauer, Schmerz und Leid. Niemand braucht sich in diesen Minuten
seiner Tränen zu schämen. Aber der Hund ist es, der stirbt, und er hat ein Recht
auf die streichelnden Hände seiner Bezugsperson. Egal wie schwer uns das fällt.
Auch wenn Ihr Hund jetzt noch jung ist oder Sie sich gerade erst mit dem
Gedanken befassen, einen Hund anzuschaffen: auch Ihr Hund wird alt. Und es ist
der biologische Lauf der Dinge die unseren Hund nun einmal früher sterben lässt
als uns.
Es liegt in Ihrer Macht, IHM den Herbst des Lebens so angenehm wie möglich zu machen.